Berlin – Mindestens 3,4 Millionen Menschen in Deutschland tragen Kontaktlinsen. Angenehmer Tragekomfort dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sehhilfen ein Fremdköper im Auge bleiben, die das Risiko für teils schwere Infektionen der Hornhaut erhöhen. Darauf weisen Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) anlässlich ihres bevorstehenden Jahreskongresses in Berlin hin. Wie sich Kontaktlinsenträger*innen vor zunehmend häufiger vorkommenden Erregern wie Pilzen und Amöben am besten schützen, berichtet Professor Dr. med. Gerd Geerling am 21. September 2023 auf der Vorab-Online-Pressekonferenz zur DOG 2023.
Auf jeder gesunden Augenoberfläche existieren Infektionserreger, etwa Bakterien und Viren. „Ein intakter Tränenfilm und ein dichter oberflächlicher Zellverband der Hornhaut halten die Keime jedoch vom Eindringen ins Auge ab“, erläutert DOG-Experte Professor Dr. med. Gerd Geerling. Wer nun Sehfehler – ob Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit oder Hornhautverkrümmung – oder auch Narben mithilfe von Kontaktlinsen korrigiert, legt die runden Haftschalen auf genau diese schützende Schicht aus Tränenfilm und Hornhaut.
„Kontaktlinsen stellen damit immer einen risikobehafteten Fremdkörper im Auge dar“, betont der Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf. Denn die Haftschale verändert die Sauerstoffversorgung und Befeuchtung der Augenoberfläche mit Tränenfilm und kann zunächst mikroskopisch kleine Schäden an der Hornhaut auslösen. „In der Regel verheilen diese Verletzungen zwar ganz unproblematisch wieder“, so Geerling. „Sie können aber auch Schmerzen auslösen und die Eintrittspforte für Infektionserreger sein.“
Insbesondere bei Träger*innen weicher Kontaktlinsen finden sich neben regulären Bakterien auch seltene Infektionserreger wie Amöben und Pilze. „Diese Erreger kommen – womöglich auch bedingt durch klimatische Änderungen in unseren Breiten – heute zunehmend häufiger vor und können teils sehr schwere Infektionserkrankungen der Hornhaut und des Augeninneren auslösen, die eine monatelange Behandlung mit Augentropfen und Tabletten erfordern“, erklärt Geerling. Bei besonders schweren Verläufen könne eine Hornhauttransplantation oder im schlimmsten Fall sogar die Entfernung eines Auges notwendig werden.
Um solche Infektionen zu vermeiden, sollten sich Kontaktlinsenträger*innen strikt an die Pflegevorschriften des Herstellers halten und einige Verhaltensregeln beachten. „Bevor man mit den Haftschalen in Berührung kommt, stets die Hände waschen“, rät Geerling. An den Kontaktlinsen selbst sammeln sich mit der Zeit Schmutz und Keime. „Deshalb ist die tägliche Desinfektion mit der vorgeschriebenen Reinigungs- und Aufbewahrungsflüssigkeit enorm wichtig“, betont der Augenarzt. Zusätzlich rät Geerling zur manuellen Reinigung: „Dazu die Kontaktlinsen auf die gereinigte Handinnenfläche legen und einige Tropfen Reinigungsmittel sanft mit der Fingerspitze auf der Linse verreiben, danach die Linsen mit Kochsalzlösung abspülen.“ Ist eine Kontaktlinse beschädigt oder verschmutzt, sofort entsorgen.
Doch auch im Kontaktlinsenaufbewahrungsgefäß können sich Bakterien vermehren. „Sie können dort einen Biofilm bilden, eine Art vom Erreger selbst hergestellten Schleim, eine richtige Bakterienfalle“, sagt Geerling. Wichtig dabei ist: Niemals mit Leitungswasser reinigen – weder Behälter noch Kontaktlinsen. „Leitungswasser ist nicht steril, es enthält Mikroorganismen, Metallpartikel, Chlor und andere Stoffe“, erläutert Geerling. „Wer Haftschalen damit reinigt oder darin aufbewahrt, riskiert, dass sich Keime an der Linse festsetzen.“ Am besten ist es, den Behälter mit der Desinfektionslösung auszuspülen und an der Luft trocknen zu lassen. Nach drei Monaten sollte das Gefäß gegen ein neues ausgetauscht werden.
Sogar bei Tageslinsen, die täglich weggeworfen und neu eingesetzt werden, ist die Infektionsgefahr erhöht. „Das gilt insbesondere für den Fall, dass sie länger als empfohlen getragen werden, zum Beispiel ununterbrochen durch die Nacht“, sagt Geerling. Vom Schwimmen mit Kontaktlinsen in natürlichen Gewässern rät der Experte ganz ab: „Damit reduziert man das Risiko für eine Infektion mit Akanthamöben, die eine schwerwiegende Hornhautentzündung hervorrufen können.“
Zeigen sich allergische Reaktionen, Beschwerden wie Sehminderung, Sekretabsonderung, Rötung oder Schmerzen, sollten Augenarzt oder Augenärztin konsultiert werden. „Sie entscheiden auch, ob die Linsen weiterhin getragen werden können oder ob etwa bei einer Tropfbehandlung eine Kontaktlinsenkarenz einzuhalten ist“, so der DOG-Experte.
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