DOG: Tierschutz darf die Forschung nicht zum Erliegen bringen
München, März 2024 – Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) begrüßt die Absicht, Tierversuche im Sinne der 3R-Regel (Replace, Reduce, Refine) zu minimieren und den Schutz der Tiere weiter zu erhöhen. Mit der nun geplanten Revision des Tierschutzgesetzes schieße der Gesetzgeber jedoch über das Ziel hinaus und würde den Forschungsstandort Deutschland gefährden und international isolieren. Diese Befürchtung äußert die DOG, die im Rahmen der Verbändeanhörung Stellung zum aktuell vorliegenden Referentenentwurf bezieht und Verbesserungsvorschläge macht.
In ihrer Stellungnahme kritisiert die Fachgesellschaft unter anderem unzureichende Konkretisierungen und fehlende Definitionen – diese ließen zu viel Spielraum für Interpretationen und führten zu einer ausgeprägten Rechtsunsicherheit. „Das beginnt gleich in Paragraph 1 des Tierschutzgesetzes, der die Tötung von Tieren nur dann straffrei stellt, wenn sie aus ‚vernünftigem Grund‘ geschieht“, sagt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG. Was aber ein solcher vernünftiger Grund sei, werde nicht ausreichend konkretisiert – weder hier noch in den §§ 17 und 18, wo obligatorische Strafen für entsprechende Vergehen formuliert werden.
Rechtssicherheit fehlt insbesondere dann, wenn Tiere, die in Versuchstierhaltungen gezüchtet wurden, außerhalb genehmigter Studien getötet werden müssen. Das ist unumgänglich, wie die DOG in ihrem Schreiben an das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ausführt. Denn bei der Zucht von Versuchstieren gibt es immer auch Nachkommen, die nicht in Experimenten eingesetzt werden können – sei es aufgrund körperlicher oder genetischer Merkmale oder aufgrund ihres Geschlechts. „Diese Tiere weiterhin in Einrichtungen zu pflegen, würde in Deutschland jedes Jahr hohe Millionen- bis Milliardenbeträge kosten“, sagt Cursiefen.
Bereits diese Regelungen würden für biomedizinische Forschungseinrichtungen und die dort Beschäftigten ein hohes rechtliches Risiko bedeuten, das bis hin zu möglichen Gefängnisstrafen reicht und daher keinesfalls tragbar erscheint. Als logische Folge würden bei Inkrafttreten des derzeitigen Gesetzentwurfes in Deutschland keine Versuchstiere mehr gezüchtet, so die DOG. Dies hätte dramatische Folgen für die biomedizinische Forschung und würde in Bezug auf wissenschaftliche Fortschritte zu einer völligen Abhängigkeit von anderen Ländern führen. „Mit der Zeit gingen dann auch wertvolles Wissen und der wissenschaftliche Nachwuchs verloren“, so Cursiefen. Zeitversetzt werde damit auch die klinische Forschung ausgetrocknet und die Entwicklung neuer Therapien unmöglich gemacht.
Diese aber werden gerade in der Ophthalmologie dringend gebraucht. Denn trotz großer Fortschritte bei der Behandlung von Augenerkrankungen ist der Forschungsbedarf auf diesem Gebiet noch immer hoch. „Auch aus demographischen Gründen steigen die Patientenzahlen seit Jahren kontinuierlich an, und viele Forschungsfragen sind noch offen“, gibt DOG-Generalsekretär Cursiefen zu bedenken. Das gelte auch für Augenerkrankungen, die zur Erblindung führen könnten. Um den Kampf gegen diese Leiden weiterhin mit vollem Einsatz führen zu können, lege die Fachgesellschaft Vorschläge zur Nachbesserung des Gesetzentwurfs vor.
Zunächst und vor allem ist es aus Sicht der DOG unabdingbar, dass der „vernünftige Grund“ aus § 1 so konkretisiert wird, dass er auch die Tötung von zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchteten Tieren beinhaltet. Um dennoch die wichtige 3R-Zielsetzung zur Reduktion des Tierverbrauchs sicherzustellen, schlagen die Ophthalmologen die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in den § 11 vor, der die Haltungserlaubnis regelt.
„Tierversuchseinrichtungen unterstehen in dieser Hinsicht bereits jetzt einer sehr engen und direkten Aufsicht durch die Landesbehörden“, betont Cursiefen. „Diese sind sich ihrer Verantwortung sehr bewusst und sind erfahren darin, Forschungsfreiheit und Tierschutz angemessen zu gewichten.“ Eine weitere DOG-Forderung bezieht sich auf die Neufassung des § 18, der pauschale Bußgelder für Vergehen im Bereich der Tierversuche vorsieht. Diese müssten dringend an die Schwere des Vergehens angepasst werden, sodass etwa rein formelle Vergehen nicht zu unangemessen hohen Strafen führten.
„Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Vorschriften und Genehmigungen im Bereich der Tierversuche zum Teil oft diffus und unklar sind“, sagt Cursiefen. In der Folge steige auf der einen Seite der Bedarf an juristischer Expertise, auf der anderen Seite werde die Genehmigungspraxis immer kleinteiliger und aufwendiger. Beides trage nicht zum an sich so wichtigen Tierschutz bei, sondern lediglich zu einem extrem hohen Dokumentations- und Personalaufwand. Dieser stelle schon jetzt eine hohe Hürde für wichtige Forschungsvorhaben dar.
„Wenn die Rechtsunsicherheit durch die Neufassung des Tierschutzgesetzes weiter verstärkt wird, wird das Tierversuche ganz unterbinden und zum Forschungsstopp führen“, ist der DOG-Experte überzeugt. Ein unverzichtbarer Teil der medizinisch-ophthalmologischen Forschung werde in Deutschland damit unmöglich.